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Spanische Wahl entscheidet auch über Schicksal der EU-Verfassung

Spanische Wahl entscheidet auch über Schicksal der EU-Verfassung

Oppositionelle Sozialisten wollen Beschluss noch vor Erweiterung – Konservative Volkspartei hält an hartem Kurs fest

Madrid/Wien (APA) – Die Spanier wählen am 14. März nicht nur ein neues Parlament, sondern treffen auch eine gewichtige Entscheidung über das Schicksal der EU-Verfassung. Die oppositionellen Sozialisten (PSOE) haben nämlich versprochen, bei einem Wahlsieg eine Einigung im Verfassungsstreit noch vor der EU-Erweiterung am 1. Mai anzustreben. Die regierende Volkspartei (PP) lässt indes keine Änderung ihrer harten Haltung erkennen, deretwegen der Brüsseler Verfassungsgipfel im Dezember gescheitert war. Nach Ansicht von Experten wird sich nach der Wahl aber auch die PP konzilianter geben.

PP-Spitzenkandidat Mariano Rajoy hat angekündigt, die Linie seines Vorgängers Jose Maria Aznar fortsetzen zu wollen. Die Position Spaniens ist bekannt, sagte er im Jänner auf Journalistenfragen. Madrid widersetzt sich einer im Verfassungsentwurf vorgesehenen Änderung des Abstimmungssystems im Ministerrat, weil es eine Schmälerung seines Stimmgewichtes befürchtet. Im PP-Wahlprogramm ist unter dem vielsagenden Titel Ein Spanien, das zählt (Una Espana que cuenta) nur ein schmales Lippenbekenntnis zur EU-Verfassung zu finden: Wir werden daran arbeiten, dass das Projekt einer europäischen Verfassung Realität wird. An anderer Stelle wird versichert, dass sich die PP für ein größeres Gewicht Spaniens in der Europäischen Union einsetzen wolle.

Der sozialdemokratische Spitzenkandidat Jose Luis Rodriguez Zapatero hatte sich dagegen bereits wenige Stunden nach dem Scheitern des Brüsseler Gipfels am 13. Dezember zu einem raschen Beschluss der EU-Verfassung bekannt. Wir wollen eine EU-Verfassung, weil es gut für Europa, gut für Spanien und gut für die Bürger ist, betonte er. Im PSOE-Wahlprogramm wird eine Einigung in dieser Frage als politische Priorität ersten Ranges bezeichnet. Die Regierungskonferenz solle ihre Beratungen ohne größere Verzögerungen wieder aufnehmen und die Verfassung noch vor dem 1. Mai, in jedem Fall aber noch 2004, beschließen.

Laut Zapatero kann nur eine sozialistische Regierung in Madrid eine Einigung im Verfassungsstreit erreichen. Aznar habe mit seiner bedingungslosen Unterstützung des Irak-Krieges die EU in eine Krise ohne Gleichen gestürzt und das Vertrauen der europäischen Partner verspielt. Was in Monaten zerstört wurde, kann man nicht einfach in einigen Stunden wieder gut machen, so der Oppositionspolitiker. Einen konkreten Ausweg aus der Verfassungskrise hat allerdings auch Zapatero bisher nicht aufgezeigt. Zwar vermied er es, sich wie die PP-Regierung auf eine Beibehaltung der derzeitigen Stimmgewichtung im EU-Ministerrat festzulegen, doch versprach auch er eine Verfassung, in der das Gewicht Spaniens erhöht werde.

Die Sozialisten würden bei einem Wahlsieg die von der Volkspartei verursachte Lähmung in Europa aufbrechen, sagte der Politikwissenschaftler Juan Montabes von der Universität Granada auf Anfrage der APA. Die PSOE lege nämlich im Gegensatz zur PP eine Unterstützung für das europäische Projekt jenseits von Allianzen an den Tag. Doch auch die Volkspartei werde ihre harte Position ändern müssen. Die spanische Position wird sich an die Mehrheitsmeinung (in Europa) angleichen müssen, sagte er. Zudem könnte der Abschied von Aznar für eine offenere und weniger festgelegte Position Spaniens in der Verfassungsdebatte sorgen.

Spanien wehrt sich gemeinsam mit dem Beitrittsland Polen gegen das geplante neue Abstimmungssystem im EU-Ministerrat. An die Stelle der komplizierten Stimmgewichtung mit drei verschiedenen Abstimmungskriterien soll das Prinzip der doppelten Mehrheit treten, das Entscheidungen in einer Union der 25 Staaten erleichtern würde. Beschlüsse werden demnach von der einfachen Mehrheit der Mitgliedsstaaten gefasst, wobei diese Staaten 60 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren müssen. Damit wäre die im EU-Vertrag von Nizza festgelegte überproportionale Vertretung der beiden mittelgroßen Staaten Spanien und Polen mit einem Schlag beendet. Bisher hatte Spanien im EU-Ministerrat 27 Stimmen, lediglich zwei weniger als das doppelt so große Deutschland.

2004-03-10 09:02:48
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