Inicio / Historico

Wenn das Herz rechts liegt

Wenn das Herz rechts liegt
Der Rechts-Links-Asymmetrie der Wirbeltiere auf der Spur

Auch wenn es von aussen nicht sichtbar ist: Der Mensch ist asymmetrisch gebaut. So liegt etwa das Herz links, die Leber rechts. Das trifft jedoch nicht in allen Fällen zu, denn einer von 10 000 Menschen hat den sogenannten Situs inversus. Seine inneren Organe sind spiegelverkehrt angelegt, ohne dass dabei die Lebensfunktionen beeinträchtigt wären. Vor einigen Jahren durchgeführte Experimente mit Mäusen deuteten darauf hin, dass die Ausrichtung der Links- Rechts-Asymmetrie bei Wirbeltieren während einer frühen Phase der Embryonalentwicklung in einer als Primitivknoten bezeichneten Struktur festgelegt wird. Dieser Knoten bildet sich auf der Bauchseite des Embryos und ist mit Flüssigkeit gefüllt, die – vom Embryo aus gesehen – von rechts nach links strömt. Diese Flüssigkeitsbewegung scheint der eigentliche Schlüssel für die asymmetrische Ausrichtung der inneren Strukturen zu sein. Das zeigen Experimente, bei denen der Fluss künstlich in die entgegengesetzte Richtung gelenkt wurde, wodurch sich ein Situs inversus entwickelte. Findet aufgrund einer Störung gar kein Fluss im Primitivknoten statt, so geschieht die Ausrichtung zufällig: Die eine Hälfte der Embryonen entwickelt sich normal, die andere spiegelverkehrt.

Offen war bisher allerdings die Frage, wie dieser Flüssigkeitsstrom überhaupt zustande kommt. Zwar weiss man, dass der Fluss durch die Bewegung von haarartigen Zellfortsätzen an der Wand des Primitivknotens, sogenannten Zilien, angetrieben wird, die von oben gesehen im Uhrzeigersinn kreisen. Doch die Flüssigkeit bildet dadurch nicht – wie zu erwarten – Wirbel, sondern bewegt sich über die Zilien hinweg. Laut einer neuen Publikation hat der Physiker Julyan Cartwright von der Universität Granada dieses Problem der Flüssigkeitsbewegung nun mit Hilfe eines mathematischen Modells gelöst. Gemeinsam mit Kollegen konnte er nachweisen, dass die Zilien leicht nach hinten zum «Fussteil» des Embryos geneigt sein müssen, damit ihre Kreisbewegung die Flüssigkeit in die beobachtete Richtung anzutreiben vermag. Mit ihrem Modell simulierten die Forscher zudem, wie die Flüssigkeitsbewegung zu asymmetrischer Entwicklung führen könnte: Werden kurzzeitig aktive Signalmoleküle in die Flüssigkeit abgegeben, so bildet sich durch den Fluss eine maximale Substanzkonzentration auf der linken Seite des Primitivknotens. Dort könnten dann spezifische Rezeptoren asymmetrische Prozesse auslösen.

Ob der Ursprung der Links-Rechts-Asymmetrie allerdings tatsächlich im Primitivknoten liegt, ist noch Gegenstand von Diskussionen. Untersuchungen an Frosch- und Hühnerembryos legen nahe, dass die Asymmetrie möglicherweise schon vor der Bildung des Primitivknotens festgelegt wird. Unabhängig davon, wann Asymmetrie einsetzt, ist für die Autoren der neuen Studie jedoch klar, dass die eigentlich spannendste Frage noch offen ist: Wieso bricht die Natur die Symmetrie immer in die gleiche Richtung, anstatt dies dem Zufall zu überlassen?

Felix Straumann

Quelle: PNAS Early Edition, Online-Publikation vom 26. April 2004 (doi:10.1073/pnas.0402001101).

Descargar