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„Wir stehen erst ganz am Anfang“

„Wir stehen erst ganz am Anfang“

In einer Tagung sprachen Vertreter der Kirche und Experten über den christlich-islamischen Dialog. Muslime waren auf der von der Deutschen Bischofskonferenz organisierten Frankfurter Tagung nicht vertreten.
Über christlich-islamischen Dialog reden – ohne Beteiligung von Muslimen? Dass sich die Cibedo, die Christlich-Islamische Begegnungs- und Dokumentationsstelle der Deutschen Bischofskonferenz, aus gerechnet bei einem wissenschaftlichen Symposium in Frankfurt an lässlich ihrer Gründung vor 30 Jahren zu diesem Konzept entschlossen hatte, sorgte schon für erhebliche Verwunderung. Längst nicht allen Teilnehmern mochte die Begründung von Cibedo-Geschäftsführer Peter Hünseler, es gehe um die Positionierung der katholischen Kirche im europäischen Vergleich, so recht einleuchten. Dabei ist die Cibedo, deren fachliche Kompetenz weit über den engen kirchlichen Bereich hinaus anerkannt und gerühmt wird, über jeden Verdacht erhaben, man wolle lieber unter sich bleiben oder habe gar Berührungsängste gegenüber Vertretern des Islam.

Bestandsaufnahme und Selbstreflexion bestimmten also die Tagung, und vielleicht muss man hinzufügen: auch Selbstvergewisserung in schwierigen Zeiten. Dass man dennoch nicht bloß im eigenen Saft schmorte, dafür sorgte die europäische Dimension, der Blick über den Kirchturm. Und den Part der nicht vertretenen Muslime übernahmen an vielen Stellen ausgewiesene Kenner des Islam und engagierte Mitstreiter an der nicht immer unkomplizierten christlich-islamischen Dialogfront. Der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke, Vorsitzender der Kommission Interreligiöser Dialog in der Bischofskonferenz, sprach von einem „Gefühl der fehlenden Gleichbehandlung und Inferiorität“, das viele muslimische Gesprächspartner empfänden.

Nach Jaschkes Erfahrung erwarteten sie vor allem Solidarität in praktischen Fragen, etwa in der Moscheebau- und Kopftuch-Debatte. An konkreten religiösen Fragen beobachte er dagegen eher weniger Interesse. Der interreligiöse Dialog sei „überlagert von politischen Fra gen“, konstatierte der Bischof. Diese Einschätzung teilte der Religionswissenschaftler Günter Riße von der Philosophisch-Theologischen Hochschule Vallendar. „Wir haben den Islam vor allem als gesellschaftliche Größe im Blick“, aber es gebe zu wenig Feldforschung, wie Muslime ihren Glauben praktizierten. Er beklagte, dass der Islam, ganz anders als etwa der Buddhismus, zu wenig als eine spirituelle Religion wahrgenommen werde.

Noch einen Schritt weiter ging der Islam-Kenner Professor Christian W. Troll von der gastgebenden Jesuiten-Hochschule St. Georgen, als er fragte, wie oft „wir Katholiken eigentlich Muslime in unser Gebet einbeziehen“. Was eine gemeinsame christlich-islamische Spiritualität angehe, „stehen wir erst ganz am Anfang“. Trolls Plädoyer für mehr wechselseitige Dialogbefähigung gipfelte in der Forderung, es seien muslimische Exegeten der Bibel vonnöten: „Wir bauchen eine islamische Christologie.“

Manch einem der Fachleute im Publikum, Johannes Kandel von der Friedrich-Ebert-Stiftung etwa, muteten derlei Gedankenspiele allzu visionär an, und er plädierte für einen „interreligiösen Dialog ohne Idealismus“ und für „produktiven Streit“. Die einleitende Situationsanalyse von Hansjörg Schmid (Akademie des Bistums Rottenburg-Stuttgart) war durchaus ernüchternd ausgefallen. Schmid sprach von einer zwar weniger extremen, aber noch immer vorhandenen „strukturellen Schieflage“ im Dialog, was er auch damit begründete, dass der Islam häufig vorwiegend als eine „Unterschichten-Religion“ wahrgenommen werde.

Allerdings habe sich die Situation in den vergangenen zehn Jahren positiv verändert,. weil es auf islamischer Seite immer mehr qualifizierte Ansprechpartner gebe. Um zu einem „Dialog auf Augenhöhe“ zu kommen, müssten aber auch bei der Kirche Defizite behoben werden. Die Islam-Beauftragten der Bistümer seien häufig Einzelkämpfer, und in der Theologenausbildung spiele das Thema bislang kaum eine Rolle.

Der Blick auf die europäischen Nachbarn offenbarte ein sehr uneinheitliches Bild, was das Verhältnis Kirche – Islam angeht. Österreich etwa führte, wiewohl die Religion Allahs auch dort lange als „reiner Gastarbeiter-Glaube“ betrachtet wurde, schon 1984 muslimischen Religionsunterricht ein. In Bosnien-Herzegowina will der Dialog wegen der Nachwirkungen der Balkan-Kriege nicht recht in Gang kommen.

Unter den spanischen Muslimen machte Professor José Luis Sánchez Nogales (Universität Granada) eine ungewöhnliche Integrationsfunktion von Konvertiten aus, die häufig aus dem äußersten linken Spektrum stammten. Problematisch sei freilich, dass in Spanien, dem einzigen Land der Welt, aus dem der Islam sich nach jahrhundertelanger Präsenz zurückgezogen hatte „und nun wieder da ist“, die Ära der islamischen Herrschaft nachträglich idealisiert werde. Als Reaktion auf die umstrittene islamkritische Regensburger Rede Benedikts XVI. hätten Muslime verlangt, ihnen die Kathedrale von Cordoba, eine ehemalige Moschee, wieder als Gebetsraum zugänglich zu machen.
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