Familienforschung
Rätselraten um Kolumbus
Um endlich seine Herkunft zu klären, wurden die Gene von 500 Menschen mit dem Namen des Seefahrers analysiert. Ohne Ergebnis – der Streit um seine Person geht weiter.
Von Ulli Kulke
Kolumbus in einer zeitgenössischen Darstellung
Kolumbus in einer zeitgenössischen Darstellung
Foto: dpa
Ich bin ein Fremder. Genaueres, so fügte der Mann bisweilen hinzu, tue nichts zur Sache. Es war seine Art, sich einzuführen, wie wir es vor allem aus dem Wilden Westen kennen, zu dem er ja selbst, vor gut 500 Jahren, den Weg schon wies: Christoph Kolumbus alias Christofero Colombo, Cristóbal Colón oder Cristóvao Colombo oder…
Ja, wie lautete sein Name denn nun wirklich? Hat der Mann überhaupt gelebt?
Mit seiner Überfahrt in das später sogenannte Amerika läutete er laut Geschichtsbüchern die Neuzeit ein, er steht auf der Liste der bekanntesten Menschen des vergangenen Jahrtausends ganz oben. Doch seine Eckdaten sind längst nicht geklärt: Wo kam er her, wo ging er hin? Genua als Geburtsort gilt keineswegs als gesichert, ja nicht einmal Italien als Herkunftsland. Die letzte Ruhestätte ist über den Atlantik hinweg umstritten. Auch der Ort, an dem er in der Karibik erstmals an Land ging, laut Logbuch eine kleine Insel namens Guanahani, ist immer noch nicht identifiziert.
Hoffnungsvoll hatte jüngst der Spanier José Antonio Lorente angekündigt, wenigstens die Herkunft des großen Seefahrers zu ergründen, doch sein wissenschaftlicher Versuch brachte vorerst keine Ergebnisse, wie er nun am Wochenende mitteilen musste. Insgesamt 500 DNA-Proben hatte der Direktor des Gen-Labors an der Universität Granada eingeholt von Menschen, die einen der in Frage kommenden, auf direkte Abstammung hindeutenden Namen tragen. Nur allzu gern beteiligten sie sich an dem Versuch, ebenfalls voller Hoffnung. Darunter Spanier, Franzosen, Portugiesen und Italiener. Ihr Erbmaterial glich Lorente mit dem aus Skelettresten ab, die Genforscher im vergangenen Juli als zu Kolumbus gehörig identifizieren konnten. Forscher waren in der Kathedrale von Sevilla auf 150 Gramm Knochen gestoßen, die sie mit zuverlässigem Vergleichsmaterial aus den Gräbern des Bruders und des Sohnes abgleichen konnten (die übrigen Knochen des Admirals, so vermuten Experten, könnten in Santo Domingo liegen). Lorente räumte nun ein, dass in diesem Fall mit den herkömmlichen Methoden der Genanalyse eine Verwandtschaft weder bewiesen noch ausgeschlossen werden könne, zeigte sich aber zuversichtlich, dass bald die nötigen Techniken zur Verfügung stünden.
Die Zweifel daran, dass Kolumbus im Spätsommer oder Frühherbst 1451 in Genua geboren wurde, gründen sich nicht nur auf seine Geheimniskrämerei. Zum einen gibt es für diese herkömmliche Lesart keine gesicherten Dokumente. Auch die Tatsache, dass von Kolumbus fast ausschließlich spanische oder lateinische Briefe und Aufzeichnungen bekannt sind, bis auf wenige Sätze aber keine italienischen Notizen, stimmt da skeptisch. Selbst Briefe an italienische Banken schrieb er auf kastilisch. Und es passt es nur schwer zu dem Sohn eines gemeinen Wollwebers, dass er schon bald nach seiner Ankunft in Portugal und noch lange vor seiner großen Fahrt in ein altes Adelsgeschlecht einheiratete, und auch später in Spanien sogleich Aufnahme in höchsten höfischen Kreisen fand.
Verschiedene mögliche Wurzeln des großen Seefahrers konkurrieren. Hier führt man Stammbaumlinien bis nach Armenien, da behaupten Iberer, Vater und Großvater Kolumbus seien wenige Jahre vor der Geburt Christophs aus Spanien nach Italien eingewandert, und deshalb sei dieser zweisprachig aufgewachsen. Und: Könnte er vielleicht nicht in der Stadt, wohl aber in der Republik Genua geboren sein, zu der damals sogar Korsika gehörte? Oder womöglich in jenem Vorort Palma de Mallorcas, der den italienischen Namen Genuas – Genova – trägt? Fragen über Fragen.